Ich betrachte die moderne Schauspielkunst als ein ganzheitliches Konzept. Das heißt, es ist nicht nur die Technik oder eine fundierte Schauspielausbildung, die ausschlaggebend sind für eine gelungene berufliche und künstlerische Entwicklung.
Man darf das nicht isoliert betrachten, denn damit ist es nicht getan. Selbst die Beherrschung der besten und innovativsten Schauspielmethoden schützen uns nicht vor Stress, Druck, Zweifel, Erwartungshaltung, Ängsten, Blockaden, Nervosität oder Lampenfieber. Das System Mensch ist viel komplexer. Das System Schauspieler*in ohnehin. Unser Beruf ist herrlich und faszinierend, kann aber auch gleichzeitig sehr herausfordernd sein. Die heutige Schauspielkunst, beschränkt sich nicht nur auf das Spiel und Text lernen, sondern umfasst weitreichende Bereiche des Lebens. Es ist ein Organismus, der in sich funktionieren und somit für das Gleichgewicht und die schöpferische Kraft der Spielenden sorgen sollte. Körper, Geist und Seele sollten im Einklang sein und bilden, im besten Falle, eine harmonische Einheit.
Physisches, psychisches und seelisches Wohlbefinden sind enorm wichtig und Achtsamkeit, Bewusstsein, Klarheit, innere Ruhe, sowie eine ausgewogene und gesunde Lebensweise sollten ein integraler Bestandteil unseres Daseins sein, die uns helfen in die Kraft und in die Gravitas zu kommen. Folglich ist Haltung, Einstellung und Denkweise, auf neudeutsch „Mindset“, gleichermaßen bedeutend und bekommt in der zeitgenössischen Schauspielkunst eine entscheidende Relevanz. Da ich früher Leistungssport betrieben habe und mich dieses Thema bis heute begleitet, beschäftigte ich mich in den letzten Jahre intensiv mit Sportpsychologie und stellte fest, daß die erfolgreichsten Athletinnen und Athleten, vor allem einen Aspekt, neben effektivem Training, auf ihre verbesserten Leistungen zurückführten, nämlich Mindset-Arbeit. In anderen Worten, der mentale Bereich, also das, was zwischen unseren Ohren passiert. Das heißt, die Denk- und Sichtweise oder wie es im Sportjargon heißt, die Mentalität, entscheidet oft über etwaiges Gelingen oder Scheitern. Selbst wenn Disziplin, Potenzial und Talent vorhanden sind, können herausragende Schauspieler*innen oft ihre Wirkung und Leistungskraft nicht abrufen.
Deshalb gilt: Veränderte Einstellung führt zu verändertem Verhalten, und verändertes Verhalten führt zu erfolgreichen Ergebnissen. Und das bezieht sich nicht nur auf den Spitzensport, sondern kann sowohl in der Schauspielkunst, als auch in anderen Lebenslagen und Berufsfeldern angewendet werden. Es ist somit universell.
Unser Beruf und die damit verbundenen Bedingungen und Anforderungen, haben sich in den letzten Jahren merklich verändert. Das gibt uns unweigerlich die Möglichkeit, als Menschen und Künstler*innen zu wachsen. Ob wir wollen oder nicht. Diese Entwicklung ist Fakt und Teil unseres stetigen Fortschritts.
Als leidenschaftlicher Schauspieler und Coach, versuche ich mich auch fortwährend weiterzuentwickeln, um jeden Tag eine bessere Version von mir selbst zu werden. Ich betrachte Schauspiel als eine Art Wissenschaft und sehe mich sowohl als Forscher, als auch Gestalter. In meiner Funktion als Coach und Schauspieler, pflege ich, wie bereits erwähnt, den ganzheitlichen Ansatz und glaube ganz fest daran. Da die Dinge schlichtweg nicht voneinander getrennt sind. Es ist alles eins. Deshalb verbinde ich bewährte Techniken und eigene Verfahrensweisen mit Seelenforschung und Mindset-Arbeit. „Connecting the dots“, wie Steve Jobs es einmal prägnant formuliert hat.
Abschließend möchte ich noch einen wichtigen Punkt hervorheben, der mir in meiner Tätigkeit als Schauspielcoach, am Herzen liegt. Und zwar, das Vermitteln, sich der eigenen Intuition bewusst zu werden und sich ihr vermehrt hinzugeben. Das ist mir ein zentrales Anliegen. Schauspieler*innen müssen, meines Erachtens, mehr Fühlen anstatt zu Denken. Damit ihre Darstellung nicht vom Verstand geleitet wird, sondern das Vertrauen in die eigene Intuition wächst. Das ist oft der Schlüssel für eine freie, originelle und kreative Spielweise. Der Schatz liegt in uns. Er muss nur aktiviert werden. Denn die Tür zur Glückseligkeit geht letztendlich nach innen auf. Der Prozess, sich der Intuition zu öffnen und diese zu sensibilisieren, hilft Ängste, Blockaden, Lampenfieber und dergleichen zu kanalisieren und verwandelt sich schließlich in Vertrauen und stärkt somit die Gravitas. Zusammengefasst heißt das, daß aus Angst, Vertrauen – aus Nervosität, Souveränität – und aus Spielfrust, Spiellust erwächst.